Die „FOSA Humangenetik“ stellt sich vor

Sprecher:innen: Dr. Kerstin Ludwig (Universitätsklinikum Bonn, Institut für Humangenetik, Venusberg) und Dr. Eva Schulte (Technische Universität München, Klinik für Psychiatrie & Institut für Psychiatrische Phänomik und Genomik)

 

Die Humangenetik ist ein klinisch-theoretisches Fach, das einen zentralen Beitrag zur Aufklärung von Krankheitsursachen und Mechanismen leistet. Dabei wird das gesamte Spektrum von seltenen monogenen bis zu häufigen multifaktoriell bedingten Krankheiten umfasst. Neben der krankheitsspezifischen Interpretation genetischer Varianten ist die (epi-)genomische Variation und deren Verständnis auch essentielle Basis von multiomischen Analysen. In der Diagnostik nimmt die universitäre Humangenetik eine zentrale Position im Modellvorhaben Genomsequenzierung („GenomDE“) ein und spielt eine wichtige Rolle in den bundesweit an den Universitätskliniken etablierten Zentren für Seltene Erkrankungen (ZSE).

In den letzten Jahren hat sich die Humangenetik mehr und mehr zu einem Querschnittsfach entwickelt, welches an Medizinischen Fakultäten Anbindung an viele wissenschaftliche Schwerpunkte und in großer fachlicher Breite findet. Dabei stellt die Vernetzung der Humangenetik-Standorte untereinander, aber auch der Eintrag in die anderen klinischen Fächer noch eine Herausforderung dar. Die FOSA Humangenetik und ihre Mitglieder sehen hierin eine zentrale Aufgabe im NUM und stehen z.B. bei interdisziplinären Forschungsfragen beratend zur Seite, wenn genetische Fragestellungen eingeschlossen werden sollen.

Darüber hinaus führt die FOSA Humangenetik auch eigene Forschung im Rahmen des NUM durch. In der COVID-19 Pandemie wurden wirtsgenetische Faktoren als wichtige Determinanten des variablen klinischen Phänotyps der COVID-19 Erkrankung identifiziert. Große (inter-)nationale Konsortien haben in Studien sowohl häufige als auch seltene wirtsgenetische Varianten identifiziert, die zur Ätiologie des Krankheitsverlaufs beitragen. Zu diesen Studien haben die FOSA-Sprecherinnen deutsche Beiträge koordiniert. Diese Arbeit wurde seit FOSA-Gründung auf das NAPKON-Projekt ausgeweitet, welche umfangreiche Möglichkeiten bietet, genetische Beiträge zu COVID-19 (sowohl während der Akutinfektion als auch für seine post-akuten Sequelae) zu untersuchen. Voraussetzung hierfür sind die Erhebung genetischer Daten des gesamten allelischen Spektrums, mittels array-basierter Technologie und/oder systematischen Sequenzierungsansätzen. Trotz sinkender Kosten sind genomische Analysen, v.a. Exom- und Genomsequenzierungen, immer noch kostenintensiv und können nur über Forschungsanträge mit hohen Verbrauchsmittelkosten sowie Zugang zu nationalen Sequenzierzentren gestemmt werden. Gemeinsam mit den Epidemiologie- und Bioprobenkernen von NAPKON konnten im Frühjahr 2023 externe Mittel zur Exomsequenzierung eines Großteils der Kohorte bei der DFG eingeworben werden. Diese Daten werden derzeit generiert und sollen als Ressource über das NUM zur Verfügung gestellt werden. Die Interpretation der genetischen Varianten im Kontext klinischer Phänotypen erfolgt anschließend in Zusammenarbeit mit anderen FOSAs und deren klinischer Expertise. Nur so kann die Wissenslücke zwischen den identifizierten Risikovarianten, den verschiedenen klinischen Bildern der COVID-19 Erkrankung und der zugrundeliegenden Pathophysiologie geschlossen werden. Dies ist der der Schlüssel zu präzisen Versorgungsstrategien sowie neuen Behandlungsmöglichkeiten. Auch über COVID-19 hinaus soll zukünftig die Zusammenarbeit mit anderen FOSAs im NUM intensiviert und ausgeweitet werden.

Unterstützt wird die Arbeit der FOSA durch die wissenschaftliche Fachgesellschaft der Humangenetik (GfH), in dem die FOSA auch personell im wissenschaftlichen Beirat vertreten ist. Auch in internationalen Programmen ist die FOSA Humangenetik vertreten, z.B. in WP11 „Infectious Diseases“ des europäischen 1 Million Genome Programs.

 

Auf einen Blick:

a) Ziele der FOSA Humangenetik:

  •  Erforschung der genetischen Grundlagen der COVID-19 Erkrankung sowie assoziierter Merkmale zum besseren Verständnis der Pathogenese
  • Generierung und Bereitstellung sequenzierbasierter genetischer Datensätze von NAPKON-Teilnehmenden und klinische Interpretation der Varianten in Zusammenarbeit mit klinisch-orientierten FOSAs
  • Integration genetischer Information in Krankenversorgung und Forschung an universitären Standorten, durch verbesserte interdisziplinäre Vernetzung mit weiteren FOSAs

 

b) Publikationen (Auswahl):

  • Butler-Laporte et al., Exome-wide association study to identify rare variants influencing COVID-19 outcomes: Results from the Host Genetics Initiative. 2022. PLoS Genetics. PMID: 36327219
  • Nakanishi et al., Age-dependent impact of the major common genetic risk factor for COVID-19 on severity and mortality. 2021. J Clin Invest. PMID: 34597274
  • The COVID-19 Host Genetics Initiative: Mapping the human genetic architecture of COVID-19. 2021. Nature. PMID: 34237774