Post-COVID wirft derzeit noch viele Fragen auf, z.B. welche Patient:innen ein Risiko haben Langzeitsymptome zu entwickeln und wie sich Langzeitbeschwerden behandeln lassen. Wenn Impfungen die Gefahr senken würden, Post-COVID zu entwickeln oder auch dessen Verlauf reduzierten, wäre dies eine Chance für Betroffene. Doch haben Impfungen wirklich einen Einfluss auf Post-COVID und wenn ja, in welchem Umfang? Dieser Frage geht ein NAPKON-Forschungsprojekt der Fachgruppe Allgemeinmedizin nach. Das Projekt wurde von den Mitgliedern der FOSA entwickelt und federführend von Herrn Dr. Förster, Herrn Dr. Napierala und Frau Prof. Stefanie Joos, Ärztliche Direktorin des Instituts für Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung am Universitätsklinikum Tübingen, als Sprecherin der FOSA Allgemeinmedizin vorangetrieben.
Frau Prof. Joos, die Studie der Fachgruppe Allgemeinmedizin – Einfluss einer Impfung gegen SARS-CoV-2 auf die Entwicklung und den Verlauf eines Post-COVID-Syndroms – untersucht die Auswirkungen von Impfungen auf die Folgen einer SARS-CoV-2-Infektion nach dem Akutstadium. Fangen wir mit der Definition an. Momentan liest man von Post-COVID, vom Post-COVID-Syndrom und von Long-COVID. Gibt es da Unterschiede in den Definitionen und wie sehen die aus?
Auch wenn sich die meisten Patientinnen und Patienten nach COVID-19 glücklicherweise rasch wieder erholen, leiden einige unter anhaltenden Symptomen. Der Begriff Long-COVID wurde ursprünglich von Betroffenen selbst geprägt. Mediziner benutzen ihn inzwischen für Symptome, die ab 4 Wochen nach der Akuterkrankung noch bestehen bzw. neu auftreten. Wenn Beschwerden länger als 3 Monate andauern, spricht man von Post-COVID.
Welche Beobachtungen haben Sie in Ihrer klinischen Praxis zu Post-COVID gesammelt?
Die Symptome, die Betroffene nach COVID-19 berichten, können sehr vielfältig sein. In einer repräsentativen Umfrage in drei süddeutschen Landkreisen wurden als häufigste Langzeitbeschwerden genannt: Müdigkeit, körperliche Erschöpfung und Konzentrationsstörungen. Aber auch Geschmackveränderungen, Kopfschmerzen und Luftnot können nach der akuten Erkrankungsphase fortbestehen. Diese Heterogenität des Krankheitsbildes erfordert einen breiten diagnostischen Blick und ein patientenzentriertes Vorgehen mit sorgfältiger Abwägung der diagnostischen Erfordernisse.
Sie erforschen, inwieweit Impfungen einen Einfluss auf die Entwicklung von Post-COVID und den Verlauf haben können. Machen Sie da einen Unterschied zwischen den unterschiedlichen Impfungen?
Wir werden untersuchen, ob Geimpfte und Ungeimpfte in gleicher Häufigkeit von Langzeitsymptomen betroffen sind und auch, ob eine Impfung nach der Infektion ggf. die Langzeitsymptome mildern kann. Inwiefern hier die verschiedenen Impfstoffe unterschiedliche Effekte haben, ist eine untergeordnete, aber sehr interessante Fragestellung.
Spielen die unterschiedlichen Virusvarianten eine Rolle bei der Entwicklung von Post-COVID?
Es gibt inzwischen erste Daten, die Unterschiede in der Häufigkeit von Post-COVID in Abhängigkeit der verschiedenen Virusvarianten zeigen. Diese Daten sind noch nicht sehr belastbar und müssen in weiteren Projekten untersucht werden. Auch in unserem Projekt wird die Virusvariante als möglicher Einflussfaktor berücksichtigt werden.
Ihre Studie ist auch vor dem Hintergrund interessant, dass es derzeit widersprüchliche Ergebnisse von Studien zu dem Thema gibt; Studien die besagen, dass Impfungen die Symptome von Long-COVID mildern und Studien, die kaum einen Unterschied zwischen Geimpften und Ungeimpften feststellen. Wann rechnen Sie mit Ergebnissen?
In bisherigen Studien gibt es sowohl Hinweise auf eine Verbesserung der Symptomschwere als auch Berichte über eine Symptomverschlechterung. In der Tendenz scheint eine Impfung für Betroffene mit Post-COVID vorteilhaft zu sein. Allerdings ist die Datengrundlage tatsächlich sehr spärlich. Mit NAPKON bietet sich die Chance, diese Frage anhand eines großen Datensatzes und mit klinisch relevanten Endpunkten beantworten zu können. Da für diese Studie insbesondere Daten aus Follow-Up-Untersuchungen interessant sind und viele Patientinnen und Patienten diese Untersuchungen erst noch wahrnehmen müssen, rechnen wir erst zu Beginn des neuen Jahres mit vorläufigen Ergebnissen unserer Studie.
Vielen Dank für das Interview, Frau Prof. Joos!